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Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972/73)

Damals schnellstes Serienauto wird 50

Der Porsche 911 Carrera RS 2.7 war das erste Serienauto mit Front- und Heckspoiler. Genau der brachte ihm einen Spitznamen ein. Eine Sonderstellung hat er bis heute.

Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972) Foto: Porsche 30 Bilder

"Ducktail – Entenbürzel" heißt der Spoiler auf der Motorklappe des Porsche 911 Carrera RS 2.7. Es ist das auffälligste Merkmal des damals zur Homologation gebauten Sportmodells. "Es sollte ein ganz leichtes, schnelles Sportfahrzeug werden", sagt Peter Falk, damals bei Porsche Versuchsleiter Serienfahrzeuge.

Touring oder Sport?

Der Plan ist, 500 Einheiten zu bauen, um die Bedingungen für die Teilnahme an der Gruppe 4 zu erfüllen. Am 5. Oktober hat der RS Premiere beim Pariser Autosalon an der Porte de Versailles, Ende November sind 500 Autos verkauft. Damit hat Porsche nicht gerechnet. Bis Juli 1973 entstehen 1.580 Carrera RS 2.7, die meisten als komfortablere Touring mit Rücksitzen, Teppichen und Seriensitzen. Von dieser Version mit dem internen Kürzel M472 baut Porsche 1.308 Exemplare.

Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972) Foto: Porsche
Im Frühjahr 1973 stand der Carrera RS auf dem Genfer Autosalon. Premiere hatte er jedoch schon ein paar Monate vorher in Paris.

Billiger als das Touring-Paket, das 2.500 Mark kostet, ist das Sport-Paket M471 für 700 Mark. Es ist auch weniger drin: Rücksitze, Teppiche, Uhr, Kleiderhaken und Armlehnen fehlen. Der Motordeckel besteht aus Kunststoff, die Karosserie aus dünneren Blechen und leichteres Glas der belgischen Firma Glaverbel hilft, das Gewicht um 100 Kilogramm gegenüber einem 911 S zu senken. Wer wollte, konnte Sitzschalen wählen, die weniger wiegen und mehr Seitenhalt bieten. Im Vergleich zum Touring ist der "Sport" 115 Kilogramm leichter und läuft 5 km/h schneller. Exakt 200 "Sport" baut Porsche. Dazu kommen 55 Rennversionen und 17 Basisfahrzeuge.

Schnellstes deutsches Serienauto

Im Test brachte ein Carerra RS vollgetankt 1.010 Kilogramm auf die Waage. Das erklärt auch den Fahrleistungsunterschied zum nicht so viel schwächeren 911 S: Der benötigte 1971 im Test bei auto motor und sport für den Kilometer mit stehendem Start 27,2 Sekunden. Der Carerra RS nahm sich Anfang 1973 nur 25,4 Sekunden.

Mit 5,8 Sekunden Werksangabe für den Spurt von null auf 100 km/h und 245 km/h ist der Porsche 911 Carrera RS 2.7 in Sportversion 1972 Deutschlands schnellstes Serienauto. Der Touring lässt sich eine halbe Sekunde mehr Zeit – und ist damals immer noch viel fixer als die allermeisten anderen Autos.

Katapulteffekt beim Gasgeben

Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972) Foto: Porsche
Schneller als der Carerra RS war 1973 kein deutsches Serienauto.

Im Test von auto motor und sport beschleunigt ein Carrera RS Anfang 1973 in 5,7 Sekunden von null auf 100 km/h – drei Zehntel schneller als ein Ferrari 365 GTB 4. Der ist mit seinem 348 PS starken 4,4-Liter-V12 erst ab 120 km/h und beim Kilometer mit stehendem Start etwas schneller unterwegs. Keine Chance für den 911 S: Der benötigt aus dem Stand 7,4 Sekunden von null auf 100 km/h. "Tatsächlich ist gerade in diesem Geschwindigkeitsbereich, der schon von den unteren beiden Gängen belegt werden kann, ein wahrer Katapult-Effekt beim Gasgeben zu verspüren", schreibt Klaus Westrup in Ausgabe 4/1973. Er lobte auch die Drehfreude des Sechszylinder-Boxermotors: "Noch im II. Gang nimmt die Drehzahl rasen schnell zu, so daß die 7.300 Touren, bei denen der Abregler einsetzt, in Windeseile erreicht sind."

Patentierter Bürzel

Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972) Foto: Porsche
Die Höhe des Bürzels tüftelten Porsche-Entwickler auch im Windkanal aus.

Der Bürzel, den die Porsche-Ingenieure Hermann Burst und Tilman Brodbeck mit dem Designer Rolf Wiener ersannen, hilft beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit: In Versuchen ermitteln die Herren mithilfe von Blechplatten die optimale Höhe des Bürzels und stellen anschließend fest, dass nicht nur, wie geplant, der Auftrieb an der Hinterachse sinkt, sondern auch die Höchstgeschwindigkeit steigt: um 4,5 km/h um genau zu sein. Am 5. August 1972 melden sie beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 2238704 eine Offenlegungsschrift an.

Hinten breiter als vorn

Als erster Porsche hatte der Carrera RS hinten breitere Reifen als vorn: 215/60 VR 15 sind es an der Hinter- und 185/70 VR 15 an der Vorderachse. Das soll unter anderem die Traktion verbessern und macht es nötig, die Karosserie hinten um 4,2 Zentimeter zu verbreitern. Den "Carrera"-Schriftzug auf den Flanken zwischen den Radhäusern können Kunden abbestellen, den Bürzel nicht.

Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972) Foto: Porsche
Eindeutige RS-Merkmale: Hinten breiter als vorn, dazwischen ein Carrera-Schriftzug. Den konnte man auch abbestellen.

Beides hilft in schnellen Kurven, hohe Querbeschleunigungswerte zu erreichen. Doch reißt die Haftung ab, sind schnell die richtigen Reflexe gefragt: "Dann übersteuert der Carrera, und er tut es so plötzlich, dass man sehr schnell und richtig korrigieren muss", schreibt Westrup im Test. In schnellen Autobahnkurven lag der Carrera hingegen stabil. Der Geradeauslauf oberhalb von 200 km/h erfordere jedoch Konzentration, so der Testbericht weiter.

Die Rennversion RSR

Der im Motorsport eingesetzte RSR (Renn-Sport-Rennen), dessen Straßenversion der RS war, beendete die Saison 1973 mit einigen Erfolgen. Beim 24-Stunden-Rennen von Daytona fahren Peter Gregg und Hurley Haywood einen RSR und gehen mit 22 Vorsprung als Erste durchs Ziel. Herbert Müller und Gijs van Lennep gewinnen im Mai desselben Jahres die Targa Florio. Insgesamt holt der RSR im Jahr 1973 drei internationale und sieben nationale Meisterschaften.

Karosserie-Check

Erst ab Modelljahr 1976 kamen bei Porsche feuerverzinkte Stahlbleche für die tragenden Karosserieteile zur Verwendung; demnach leidet ein Carrera 2.7 noch unter mangelnder Vorsorge, die vielen Besitzern große Sorgen bereitete. Selbst wenn nicht wenige Modelle bereits mindestens einmal restauriert worden sind und/oder bestens geschützt in Sammlungen weilen, lohnt es sich, die klassischen Problemzonen eines Carrera RS zu kennen. Zu diesen gehören durchgerostete Vorderkotflügel über den Scheinwerfertöpfen und im Bereich der Tankklappe, korrodierte Stehbleche des Vorderwagens, marode Reserveradwannen sowie angegriffene A- und B-Säulen.

Ferner zählen Schweller, die hinteren Radläufe und die Traversen des Bodenblechs zu bevorzugten Brutplätzen der braunen Pest. Im Laufe der Jahre kann auch der Entenbürzel durch die einwirkende Motorhitze seine Festigkeit verlieren. Die Innenausstattung eines frühen Elfer gilt als nicht besonders langlebig: Risse im Armaturenbrett, verschlissene Polster und abgewetzte Bodenteppiche sind leider keine Seltenheit.

Technik-Check

Der aufwendig konstruierte Sechszylinder-Boxer gilt als reinrassiger Sportmotor, der gut behandelt und regelmäßig gewartet werden will. Dank Nikasil-Zylinderlaufbahnen zeigt sich dieser Motor erstaunlich verschleißfest; er leidet dennoch unter den typischen Porsche-Krankheiten wie undichte Magnesium-Motorgehäuse oder abgerissene Zylinderkopf-Stehbolzen.

Scheppernde Geräusche beim Gaswegnehmen? Dann sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Kettenspanner verschlissen, die dann schleunigst getauscht werden sollten. Oft ist dann auch die Führung der Steuerkette über Hartgummiteile betroffen. Nach etwa 150 000 Kilometern verlangt die mechanische Einspritzpumpe in der Regel nach einer teuren Überholung, wohingegen das Getriebe nur selten für Ärger sorgt, allenfalls ist die Schaltführung ausgeschlagen.

In seinen Grundfesten handelt es sich bei dem 210 PS starken 2,7-Liter-Motor des Carrera RS um einen überarbeiteten 2,4-Liter-Motor aus dem 911 S. Die Hubraumsteigerung erfolgte durch eine größere Zylinderbohrung von nun 90 mm statt 84 mm; der neue Motor erhielt zudem geschmiedete Kolben, deren Boden flacher gestaltet ist, sowie Zylinder, die mit einer Nikasil-Laufschicht versehen sind. Alle weiteren Motorenteile wie Kurbelwelle, Nockenwelle, Ventile und Zylinderköpfe entsprechen einem serienmäßigen 911-S-Motor.

Nur 1.580 Exemplare wurden gebaut, vor allem die begehrte Sport-Version mit dem spartanisch ausgestatteten Innenraum (Werks-Code M 471) notiert höher als die beim Neuwagen 2.500 Mark teurere Touringausstattung. Allerdings sollte man sich vor Fälschungen und Nachbauten hüten. Bei Originalen beginnt die Motornummer mit den Ziffern 66, und auf dem Typenschild steht noch Dr.-Ing. h.c. F. Porsche KG und nicht wie später AG.

Vor zehn Jahren kosteten Porsche 911 Carrera RS 2.7 eine knappe Viertelmillion. Diese Zeiten sind vorbei. Bis 2016 stiegen die Preise für gut erhaltene Touring auf 670.000 Euro. Wer damals kaufte, dürfte heute enttäuscht sein über den Wert, den Classic Analytics im Jahr 2022 notiert: 440.000 Euro ist ein Carrera RS 2.7 heute wert. Doch das ist relativ, versteigerte RM Sotheby’s doch am 14. Mai 2022 in Monaco einen 911 Carrera RS 2.7 für 1,2875 Millionen Euro. Das Auto stammte allerdings aus erster Hand, trug noch den ersten Lack in Gelb und es handelte sich um eines von 200 Leichtbau-Modellen.

Preise

Bei Einführung 1972 (Porsche Carrera RS 2.7 Touring)
36.500 Mark
Bei Produktionsende 1973 (Porsche Carrera RS 2.7 Touring)
36.500 Mark

Ersatzteile

Schmerzhaft hohe Preise und eine bei einigen speziellen Carrera-RS-Teilen schwierige Liefersituation kennzeichnen die Versorgungslage. Die gute Nachricht hingegen lautet: Sämtliche Standardteile des 911 vor Einführung des G-Modells im August 1973 sind problemlos lieferbar. Freie Anbieter sind in der Regel günstiger.

Schwachpunkte

  1. Scheinwerfertöpfe
  2. Reserveradmulde
  3. Stehbleche
  4. A- und B-Säule
  5. Schweller und Radläufe
  6. Kettenspanner
  7. Stehbolzen
  8. Ölverlust am Magnesiumgehäuse
  9. Federstäbe (Rost, Ermüdung)
  10. Wärmetauscher
  11. Getriebesynchronisierung
911 Carrera RS 2.9

Wertungen

Alltagstauglichkeit
Ersatzteillage
Reparaturfreundlichkeit
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Nachfrage

Fazit

Erst ein Verkaufserfolg, dann im Motorsport siegreich – manchmal funktioniert der Spruch „Win on Sundays, sell on Monaday“ auch umgekehrt“. Porsche schuf mit dem Carrera RS 2.7 eine Ikone, die heute zu den teuersten Möglichkeiten gehört, einen 911 zu fahren. Doch der Preis sollte nicht im Vordergrund stehen, liegt doch der eigentliche Wert eines Carrera RS darin, eine der pursten Varianten der Markenikone zu sein. Dass er in manchem – Mischbereifung, breiteres Heck – der erste und auf der Straße vor 50 Jahren der Schnellste war, schadet sicher nicht. Umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass damals bei Porsche nur 15 Leute an diesem Auto arbeiteten.