Porsche 911 (1997-2005) Kaufberatung
Stärken und Schwächen des 996
Der 996 ist eine der günstigsten Möglichkeiten, Porsche 911 zu fahren. Probleme mit dem Wasserboxer drücken die Preise. Doch wie steht es wirklich um die Technik und welche Versionen sind einen Kauf wert?
28.11.2023 Frank MühlingDer 1997 vorgestellte 996 war eine echte Zäsur in der Porsche-Geschichte. Er brach mit vielen Porsche-Grundsätzen und musste das Erbe des beliebten 993 antreten. Doch selbst wenn er mit viel Skepsis aufgenommen wurde und anfangs reichlich Kritik der gusseisernen Fans einstecken musste: Der 996 war ein großer Erfolg. Binnen knapp zehn Jahren wurden rund 175.000 Exemplare verkauft. Als Gebrauchtwagen ist die fünfte Generation des Neunelfer heute sehr günstig zu haben – außer man sucht die starken Typen GT3, Turbo und GT2 oder eins der limitierten Sondermodelle.
Historie
Als erster Porsche 911 hatte der 996 nicht nur einen wassergekühlten Boxermotor, er war auch noch technisch eng mit dem günstigen Einsteigermodell Boxster 986 verzahnt. Beides nahmen ihm die Fans übel. Und dann noch die Optik mit den spiegeleiförmigen Frontscheinwerfern und der glatt gebügelten Karosserie. Hinzu kam das von ovalen Formen dominierte Cockpit, das erstens seiner klassischen fünf Rundinstrumente beraubt wurde und zweitens nicht gerade durch Hochwertigkeit glänzte. Den Drang zur Sparsamkeit sah und spürte man. Aber der Typ 996 war weiterhin ein teures Auto. Für viele drängte sich erstmals die Frage auf: Ist der Neue wenigstens ein ernst zu nehmender Sportwagen? Der 996 hatte es nicht leicht, ein begeistert aufgenommener Modellwechsel sieht jedenfalls anders aus.
Karosserie-Varianten
Chefdesigner Harm Lagaay wurde vorgeworfen, der 996 sähe dem Boxster viel zu ähnlich. Doch jenseits aller Geschmacksfragen: Der gewöhnungsbedürftig gestylte 996 bot seinen Passagieren mehr Platz, was Großgewachsene durchaus schätzten. Zur Markteinführung im Oktober 1997 war nur das Coupé für 135.610 Mark im Programm, der offene 911er folgte im April 1998 und kostete knapp 20.000 Mark mehr. Ein Jahr später kam der GT3: Das Sportmodell basierte auf der schmalen Carrera-Karosserie, trug aber immer einen festen Flügel auf dem Motordeckel. Der 911 Turbo erschien im Januar 2000 und gab sich mit breiten Backen, zahlreichen Luftöffnungen sowie ausfahrbarem Heckflügel zu erkennen.
Außerdem verfügte nur er über die neue eigenständige Leuchtenpartie, die sofort auf Zustimmung stieß und im Rahmen der Modellpflege im Jahr 2001 (Modelljahr 2002) allen 996-Modellen spendiert wurde. Der stärkste Serien-996 hieß GT2, basierte auf dem Turbo und folgte zum Modelljahr 2001. Er verzichtet auf Allrad, zeigt dafür stolz seinen festen Flügel am Heck. Ein Spezialfall war der ab Modelljahr 2002 angebotene 4S mit Saugmotor und breiter Turbo-Hinterachse, aber ohne den turbotypischen Heckflügel. Parallel führte Porsche den Targa ein: Wie schon beim Vorgänger 993 surrte das große Glasdach elektrisch nach hinten unter die Heckscheibe.
Technik
38 Prozent Gleichteile mit dem Einstiegsmodell Boxster: Mit dem 996 beschritt Porsche Neuland. Auch der Wechsel von stehenden zu hängenden Pedalen zeigte, welche Stunde geschlagen hatte. Doch dank neuer Technik im Karosserierohbau stieg die Steifigkeit bei gleichzeitiger Senkung des Leergewichts. Beim Fahrwerk verfeinerte Porsche die 993-Konstruktion mit MacPherson-Achse vorn und Mehrlenkerachse hinten. Auch Bremsen, ABS und die Zahnstangen-Servolenkung passten die Entwickler an die neuen Gegebenheiten an. Allradantrieb war wie schon beim 993 verfügbar, und zwar ab Herbst 1998: Zu erkennen war die Option am Schriftzug Carrera 4 auf dem Heckdeckel.
Motoren
Die Einhaltung schärferer Abgas- und Geräuschvorschriften erforderte eine Umstellung auf Wasserkühlung und Vierventiltechnik. Gleichzeitig konnten die Ingenieure die Leistung gegenüber dem Vorgängermodell um 15 PS steigern, obwohl der neue Boxer nur noch 3,4 statt zuvor 3,8 Liter Hubraum hatte. Exakt 300 PS bot der 996 am Anfang, zur Modellpflege kamen 20 PS dazu. Zwei Stufen der Werksleistungssteigerung (WLS) waren im Programm: 320 und 345 PS.
Für das abgespeckte Sportmodell GT3 vertraute Porsche auf den bewährten Motorblock des Vorgängermodells mit Trockensumpf. Aus 3,6 Litern schöpfte der Hochdrehzahlmotor erst 360, dann 381 PS. Auch der allradgetriebene 911 Turbo nutzte diesen Motor als Basis. Hier lauteten die PS-Stufen 420 und 450. Noch mehr Qualm an der Kette bot der heckgetriebene GT2: Mit 462 und später 483 PS waren Fahrleistungen der Extraklasse möglich. Die stärkere, ab Modelljahr 2004 verkaufte Variante sprintete in vier Sekunden auf Tempo 100, als Topspeed nannte das Werk 324 km/h.
Fahren
Mit einem GT3, Turbo oder gar GT2 zählt man auch heute noch zu den ganz Schnellen auf der Straße. Aber auch ein 300 bis 345 PS starker Carrera gibt sich als veritabler Sportwagen, der für viel Fahrspaß sorgt. Die beim 3,6-Liter verbaute VarioCam-Plus-Verstellung der Einlassnockenwellen sorgt für kräftigen Durchzug. Trotz Wasserkühlung und Verzicht auf das charakteristische Rauschen des Lüfterrads verströmt der 996 pures Porsche-Feeling. Ansprechverhalten und Drehfreude bestimmen den Fahreindruck. Und natürlich der Sound. Hier ist der GT3 absoluter König, die Turbo/GT2-Modelle geben sich dezenter. Ebenso wichtig: Wo andere, meist PS-stärkere Sportwagen mit den Hinterrädern scharren, überzeugt der Neunelfer dank Heckmotor mit perfekter Traktion.
Allradantrieb ist bei den PS-schwächeren Modellen kein Muss, außer natürlich man nutzt den 996 auch im Winter. Anders sieht es beim Turbo aus, er bringt seine bis zu 450 PS und 620 Newtonmeter dank serienmäßigem Allrad perfekt auf die Straße. Die optionale Fünfgangautomatik ist Geschmackssache. Zum drehmomentstarken Turbomotor passt sie ganz gut. Bei den drehfreudigen Saugmotoren hingegen ist die Sechsgang-Handschaltung die bessere Wahl. Alle 996 außer GT3 und GT2 überzeugen mit hoher Alltagstauglichkeit und eignen sich prima als Daily Driver.
Der 996 als Klassiker
Auch wenn der 996 verglichen mit allen vorher oder nachher gebauten 911er-Porsche am günstigsten ist: Er wird über kurz oder lang seinen Platz in der Klassiker-Szene finden. Die wichtigsten Attribute sind an Bord: Er trägt das begehrenswerte Porsche-Logo, ist von jedem Kind zweifelsfrei als Neunelfer zu erkennen, hat sechs Zylinder in Boxer-Anordnung, und der Motor sitzt im Heck. Mehr Porsche-DNA bietet ein moderner 997 oder 991 auch nicht. Die ältesten 996 auf unseren Straßen sind mittlerweile gut ein Vierteljahrhundert alt, also wird es nur noch fünf Jahre bis zur Zuteilung des H-Kennzeichens dauern. Kein Geheimnis ist auch, dass vor allem gut gepflegte Autos im Originalzustand den besten Werterhalt haben werden. Speziell ihnen ist die Anerkennung als Klassiker der Zukunft sicher.
Historie und Modellpflege
- 1997 Weltpremiere auf der IAA in Frankfurt/Main im September.
- 1998 Ab April ist das Carrera Cabriolet lieferbar. Im Oktober folgen die Allradmodelle Carrera 4 als Coupé und Cabriolet, serienmäßig mit Porsche Stability Management (PSM). Auf Wunsch Werksleistungssteigerung von 300 auf 320 PS.
- 1999 Vorstellung des ersten GT3-Modells mit abgespeckter Ausstattung, Hochdrehzahlmotor, 360 PS und betont sportlicher Fahrwerksabstimmung.
- 2000 Einführung des 911 Turbo mit 420 PS und Allrad im Januar – auf Wunsch erstmals auch mit Automatikgetriebe. Im Herbst folgt der GT2 mit 462 PS.
- 2001 Facelift mit neuer Optik und aufgewertetem Innenraum. 3,6-Liter-Motor mit 320 PS löst das 3,4-Liter-Triebwerk ab. Vorstellung 911 Targa und Carrera 4S.
- 2002 Werksleistungssteigerung von 320 auf 345 PS. Cabriolet als Carrera 4S erhältlich. Mehr PS für GT3 und GT2.
- 2003 911 Turbo auch als Cabriolet lieferbar. Homologationsmodell GT3 RS für den Motorsport.
- 2004 Vorstellung Spitzenmodell 911 Turbo S mit 450 PS als Coupé und Cabriolet.
- 2005 Auslauf der 996-Baureihe im Juli, Ablösung durch Nachfolger 997.
Karosserie-Check
Wer Korrosion entdeckt, sollte den Grund dafür suchen. Die vollverzinkte Karosserie rostet bis auf vereinzelte Blasen an den Seitenschwellern nicht einfach von selbst, also könnte ein dilettantisch instand gesetzter Unfallschaden schuld sein. Ein Blick auf die markanten Spiegelei-Leuchten zeigt häufig erblindete Kunststoffstreuscheiben. Dass der 996 in einer Phase entwickelt wurde, als es dem Unternehmen wirtschaftlich nicht beson- ders gut ging, merkt man auch am Interieur: Die nicht gerade hochwertigen und alterungsbeständigen Kunststoffe können mit der Zeit unansehnlich werden. Der dünne Lederbezug leidet besonders an der Sitzwange auf der Fahrerseite.
Technik-Check
Im Gegensatz zum luftgekühlten Vorgängermotor des 993 ist der Wasserboxer mit dem Kürzel M94 nicht gerade für seine Standfestigkeit berühmt. Schuld sind Materialschwächen der Alusil-beschichteten Laufbuchsen. Experten gehen davon aus, dass sich außerdem der Sitz der Laufbuchse im Block weitet. Beides kann Kolbenfresser oder Kolbenklemmer verursachen, selbst Löcher in den Laufbuchsen kommen vor. Ein weiteres Drama ist die Zwischenwelle für den Ventiltrieb. Schwachpunkt ist deren Lagerung: Wenn sie „frisst“, ist meist ein kapitaler Motorschaden zu befürchten. Manchmal bricht auch die ganze Welle.
Bekannt sind des Weiteren Risse in den Zylinderköpfen und undichte Kurbelgehäuse-Simmerringe. Leider treffen die genannten Problemfelder auch auf die spätere M96-Variante mit 3,6 statt 3,4 Litern Hubraum zu. Auch von ihr sind Schäden bekannt, wenngleich sie seltener auftreten. Kränkelnde Lambdasonden und defekte Luftmassenmesser wurden ebenfalls schon gesichtet.
Die starken Modelle GT3, Turbo und GT2 sind von all diesen Problemen nicht betroffen, da sie auf einen völlig anderen, weitaus standfesteren Block setzen. In der Motorperipherie aller 996-Modelle können zugesetzte Kühler in der Frontschürze für Überhitzung sorgen und das Budget weiter belasten. Aufmerksamkeit verlangen auch ausgeschlagene Querlenkerbuchsen an der MacPherson-Vorderachse sowie unzuverlässige Navigationssysteme. Vor allem die frühen PCM1-Versionen können dem Fahrer gehörig auf die Nerven gehen.
Wer sich als Porsche-Neuling im Netz nach den billigsten 996 umsieht, wundert sich über das niedrige Preisniveau. Eingeschworene Elfer-Fans wissen längst: Der 1997 vorgestellte Porsche ist heute die billigste Möglichkeit, einen Neunelfer zu fahren. Aktuell starten die Angebote bei unter 20.000 Euro. Doch reinsetzen, losfahren und sorgenfrei Spaß haben wäre bei diesen Exemplaren reine Glückssache. Leider finden sich in diesen Preisregionen viele Autos mit der ungeliebten Automatik, mit weit über 200.000 Kilometern auf der Uhr, unerfreulichem Wartungsstau oder gar als Rechtslenker.
Gepflegte Exemplare mit Schaltgetriebe beginnen bei rund 30.000 Euro. Die zum Modelljahr 2002 präsentierten Facelift-Modelle mit 320 PS Leistung liegen in ähnlichem Zustand mindestens 5.000 Euro darüber. Wer 911 Turbo fahren möchte, sollte mit 50.000 Euro aufwärts rechnen. Ob Coupé oder Cabriolet, wirkt sich übrigens beim 996 kaum auf den Preis aus. Noch teurer sind GT3- und GT2-Modelle mit wenigen Kilometern. Hier geht es bei 60.000 beziehungsweise 100.000 Euro erst los.
Preise
Ersatzteile
Für den 996 ist praktisch alles verfügbar, was kaputtgehen kann oder dem Verschleiß unterliegt. Porsche Classic betreut das Modell bereits mit seinem offiziellen Originalteileprogramm. Aber auch freie Teilehändler haben vieles im Sortiment, egal ob gebrauchte Teile oder Nachfertigungen.
Schwachpunkte
- rostende Kühler
- Kurbelwellensimmerring
- Bruchgefährdete Zwischenwellen
- Getriebesynchronisation
- Motorschaden durch Kolbenfresser
- Rost unter seitlichen Schwellerblenden
- Schadhafte Navigation (PCM1) und Kriechstrom (PCM2)
- Verstopfte Wasserabläufe (Cabrio)
- Verschlissene Spurstangen
- korrodierte Federbeinverstellung (GT3)