Aston Martin Valhalla mit Hybridantrieb
Hypercar schnuppert erstmals Rennstreckenluft

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Der V8-Motor des Aston Martin Valhalla ist stärker als bei Kooperationspartner AMG. Nun erhielt ein Prototyp Auslauf auf dem GP-Kurs in Silverstone.

Aston Martin leistet als kleiner Hersteller aktuell große Entwicklungsarbeit. Den Supersportwagen Valkyrie haben die Engländer inzwischen fertig, am zu den Hypercars zählenden Valhalla sind sie noch dran. Bei diesem Boliden hat sich zwar die Entwicklung deutlich verzögert, dafür stecken in ihm aber auch einige technische Leckerbissen.

Antrieb

Den Verbrenner-Part des Valhalla-Antriebs haben die Aston-Martin-Ingenieure vom Motor aus dem Mercedes-AMG GT Black Series abgeleitet. Sie betonen, dass nur der Rumpfmotor von AMG kommt; alles andere haben sie neu entwickelt und an die für den Valhalla gewünschten Eigenschaften angepasst. Dazu zählt, dass der doppelt turbogeladene 4,0-Liter-V8 mehr Leistung bekommt – nämlich 800 anstelle der ursprünglich 730 PS. Einen Großteil seiner Frischluft generiert der Benziner über den hinten am Dach positionierten Schnorchel, in den Aston Martin zudem die Kühlkanäle für die Ladeluftkühler und die im heißen V sitzenden Turbolader integriert hat.

Unsere Highlights

Die insgesamt drei E-Motoren pushen die Systemleistung auf 1.012 PS. Das an der Vorderachse platzierte Elektro-Duo und das in das Getriebe integrierte hintere Pendant sollen verschiedene Leistungswerte auszeichnen – welche genau, verrät Aston Martin bislang nicht. Rein elektrisch soll der Valhalla bis zu 15 Kilometer weit und 130 km/h schnell fahren können. Die Aston-Martin-Verantwortlichen betonen, dass der Valhalla kein Elektroauto ist. Die rein elektrische Fahrt, bei der nur die Frontmotoren aktiv sind, ist beispielsweise nur für das morgendliche Schleichen aus der Garage gedacht. Die elektrische Energie ist in zwei Antriebs-Akkus gespeichert, von denen der eine im Bereich der Vorderachse und der andere wahrscheinlich hinter dem Fahrer sitzt. Die Batterien sollen übrigens nicht von Mercedes-AMG kommen, sondern nach Aston-Martin-Spezifikationen von einem extra dafür ausgewählten Hersteller gefertigt werden.

Getriebe und Fahrleistungen

Die Einteilung der Gänge erfolgt über ein Achtgang-Doppelkupplungs-Getriebe mit Schaltwippen und integriertem elektronischen Sperrdifferenzial für die Hinterachse – es soll das kleinste und leichteste seiner Klasse sein. Beim Thema Leichtbau hilft der Verzicht auf einen Rückwärtsgang; fährt der Valkyrie nach hinten, sind nur die vorderen E-Motoren aktiv. Ein weiterer Clou: Der Verbrennungs- und ein E-Motor können verschiedene Gänge im Getriebe nutzen, was die Beschleunigung optimieren soll. Auf dem Papier klappt das: Von null auf Hundert soll es für den allradgetriebenen Valhalla in nur 2,5 Sekunden gehen. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Aston Martin mit 330 km/h an.

Design

Die LED-Leuchten verfügen vorn über Matrix-Technologie und einen Fernlicht-Assistenten. Fun Fact: Die einzelnen Leuchtelemente der Heckleuchten heißen bei Aston Martin intern Lollipops. Ob der Valhalla einen oder zwei Frontscheibenwischer bekommt, ist noch nicht entschieden. Klar ist nur, dass es auch bei dieser Technik keine Übernahme aus dem Valkyrie geben wird – dort kostet das komplette Scheibenwisch-System nämlich 15.000 Pfund (aktuell umgerechnet zirka 17.300 Euro). So kostenintensiv soll es selbst beim teuren Valhalla nicht werden.

Aerodynamik

Auf die Aerodynamik des Valhalla sind die Aston-Martin-Verantwortlichen besonders stolz. Aerodynamik-Guru Adrian Newey, im Hauptberuf technischer Direktor beim früher mit Aston Martin kooperierenden Red-Bull-Racing-F1-Team, und Aston Martins Formel-1-Ingenieure zeichnen für Abtrieb und Windschlupf verantwortlich. Vorn sitzt ein großer mehrteiliger Splitter. Da der Vorderwagen in der Höhe im DRS-Stil um 15 Millimeter verstellbar ist, erreicht Aston Martin hier trotz starr montiertem Splitter eine aktive Aerodynamik. An den Frontspoiler schließt sich eine konkave Unterbodenfläche an, die ebenfalls aktiv gesteuert wird und durch Unterdruck Abtrieb erzeugt. Vor den Hinterrädern befinden sich kleine geschlitzte Lamellen auf dem Schweller, die den Luftstrom unter dem Auto nach oben leiten und so den Abtrieb erhöhen.

Den meisten Anpressdruck an der Hinterachse generieren die mächtigen, unter dem Heck verlaufenden Venturi-Tunnel, die in noch heftigerer Form bereits vom Valkyrie bekannt sind. Außerdem passt das Auto den Anstellwinkel des ebenfalls mehrteiligen Heckflügels abhängig von der Fahrsituation an – auch dies soll an das DRS-System eines Formel-1-Autos erinnern. Bei 240 km/h soll der Valhalla mehr als 600 Kilogramm Abtrieb generieren, wobei die aktive Aerodynamik des Hypercars den Anpressdruck vorn und hinten kontinuierlich derart feinjustiert, dass Gripniveau und Fahrzeugbalance stets optimal austariert sind.

Fahrwerk

Auch beim Fahrwerk setzt Aston Martin auf Hybrid-Technik: Vorn kommt ein Pushrod-Layout zum Einsatz, während hinten eine Mehrlenker-Aufhängung installiert ist. Variable Federn und adaptive Dämpfer sowie Torque Vectoring versprechen blitzschnelle Reaktionen auf die jeweilige Fahrsituation und vielfältige Einstellmöglichkeiten. Zu den Fahrmodi gehört eine Rennstrecken-Abstimmung, in der sich die Komponenten maximal versteifen. Hinter den vorn 20 und hinten 21 Zoll großen Rädern, die mit eigens entwickelten Michelin-Reifen ummantelt sind, arbeitet eine Brake-by-Wire-Bremsanlage, die auf Carbon-Keramik-Komponenten vertraut. Die Leichtmetallfelgen waren beim im Herbst 2022 in der Münchner Motor World begutachteten Konzeptauto im Carbon-Look lackiert und mit einem in der späteren Serie optionalen Zentralverschluss ausgerüstet.

Trotz des verfolgten Leichtbau-Ansatzes rüstet Aston Martin den Valhalla mit einigen elektronischen Sicherheits-Systemen aus. Dazu zählen die automatische Notbrems-Funktion, der Auffahrwarner, die aktive Geschwindigkeitsregelung, die Totwinkel-Überwachung und die Rückfahrkamera mit Surround-View-Funktion.

Chassis

Das Monocoque des Valhalla wog in einem Entwicklungsstadium gegen Jahresende 2022 noch 120 Kilogramm. Den Ingenieuren war das zu schwer; sie wollen es für das Serienauto nahe an die 100-Kilogramm-Grenze bringen. Das komplette Fahrzeug soll dann unter 1.550 Kilogramm wiegen. Beim Chassis greift Aston Martin ebenfalls auf Formel-1-Kompetenz zurück: Die mittels eines neuen und patentierten Verfahrens umgesetzte Fertigung der Kohlefaser-Monocoques geschieht bei Aston Martin Performance Technologies (AMPT) – und damit in jener Abteilung, in der der technische Austausch zwischen Autohersteller und F1-Team stattfindet.

Interieur

Die Sitzposition im übersichtlich gestalteten Innenraum ähnelt jenem eines Formel-1-Autos. Die Hüfte des Fahrers ist ungefähr auf Höhe der Pedale, der Hosenboden sitzt tiefer. An der Stelle, wo der in seiner Neigung verstellbare Kohlefaser-Schalensitz montiert ist, ist der innere Fahrzeugboden nach unten gewölbt. Die Fahrerin oder der Fahrer streckt seine Beine also nach vorn und nicht nach unten und legt die Fersen auf einem Zwischenboden ab, was beim ersten Probesitzen eine extrem angenehme Sitzposition ergeben hat. Im Vergleich zum Valkyrie bietet der Valhalla zudem innen deutlich mehr Platz.

Nürburgring-Rekord im Visier

Dass das aero- und fahrdynamische Gesamtkonzept funktioniert, wurde ausgiebig im Windkanal und Simulator des F1-Teams sowie von den aktuellen Königsklasse-Piloten Fernando Alonso und Lance Stroll überprüft. Kürzlich hat Aston Martin einen ersten Prototyp auf die Formel-1-Rennstrecke in Silverstone, wo die Marke ein Entwicklungszentrum betreibt, geschickt; Straßentests sollen bald folgen. Mit den Auslieferungen der Serienmodelle möchte Aston Martin 2024 beginnen. Dann soll der Supersportler auch auf die Nordschleife des Nürburgrings – und dort unter 6:30 Minuten bleiben. Zum Vergleich: Der mit einem adaptierten Formel-1-Motor ausgerüstete Mercedes-AMG One hatte dort im Oktober 2022 mit 6:35,183 Minuten einen Fabel-Rekord aufgestellt.

Produktion und Preis

Innerhalb von zweieinhalb Jahren sollen 999 Exemplare des Valhalla entstehen – doppelt so viele, wie ursprünglich geplant. Die Aston-Martin-Entscheider begründen das damit, dass man an dem Projekt auch Geld verdienen müsse – die Entwicklung von Valkyrie und Valhalla hat anscheinend Unsummen verschlungen. Der Preis des Valhalla könnte bei zirka 833.000 Euro losgehen – bei den aktuellen Preisentwicklungen ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass der endgültige Preis noch deutlich höher ist. Zwei Drittel der Produktion sind dem Hersteller zufolge bereits verkauft.

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Fazit

Nach dem Valkyrie entwickelt Aston Martin mit dem Valhalla den nächsten beeindruckenden Supersportwagen. Mit feiner Aerodynamik, einem Hybrid-Antriebsstrang, dessen V8-Verbrennungsmotor 800 PS leistet, und einer von der Formel 1 inspirierten Sitzposition dürfte der Valhalla tatsächlich ein Ausnahme-Sportler werden. Bestätigt ist das spätestens, wenn er auf der Nordschleife tatsächlich – wie angekündigt – die 6:30-Minuten-Marke unterbietet.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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